26.1.2025 Wochenende Lebe lieber bunt

26.1.2025 Wochenende Lebe lieber bunt

Das ist nicht meine Katze;-) Am Sonntag Nachmittag hatte ich ein bisschen frei zum Spazieren gehen und Kaffee trinken. Die Demo am Samstag wirkt immer noch nach und ich sehe im urbanen Raum überall Zitate, Sticker, die Stadt ist quasi ein eigenes großes Wahlplakat für Demokratie, Freiheit, Frieden. Wenn mensch hinschaut und sich den Moment nimmt wahrzunehmen. Beim Kaffee trinken lese ich meinen Feed Reader leer und genieße ein Stück Bienenstich. Am Nachbartisch schweigen sich zwei an und fangen dann leise, vom Radio angenehm gedämpft zu streiten, wer was wann wie usw. Gegenüber wird Schach gespielt. Mir fallen die hübschen Holzfiguren auf. Als das Wort Schach fällt, gibt es anscheinend nur noch zwei mögliche Züge, die beide zu Schachmatt führen. Dann steht es 3:0, sofort werden Schwarz und Weiß neu aufgestellt. Geschmeidig gleiten die Figuren durch die Finger, es scheint ein geübtes fast eingeöltes Ritual zu sein. Der Inhaber steht zwischendurch auf und verkauft Kaffee und Gebäck. Das Radio läuft, draußen regnet es, fast mag ich mich nicht trennen, als ich aufbreche und das heimelige durchbrechen muss, um die Kids abzuholen.

Brotfabrik Fassade

https://www.brotfabrik-berlin.de/historie-der-brotfabrik/ Brotfabrik zum Nachlesen für interessierte die Geschichte dieses Hauses. Ich mag die Glühbirne am Schornstein neben der Fernsehantenne, Relikte aus gar nicht so fern vergangener Zeit.

FCKNZS Sticker
Lost Place

Beim Spazieren entdecke ich durch einen Zaun diesen verlassenen Ort, eine Baulücke wies scheint, von denen es in Berlin immer weniger gibt. Erwartungsgemäß müsste hier schon ein Kran bereit stehen, ein übers Wochenende abgeschlossener Baucontainer mit einem Bagger davor. Stattdessen wächst es etwas wild hier und ich stelle mir vor, wie Menschen den Platz zum Draußen sein und Feiern nutzen, sobald es warm oder trocken genug dafür ist.

Stadtpoesie Plakat

Seitlich davon hängt Stadtpoesie, keine Ahnung von wem es ist (27.1.25 ergänzt: Rio Reiser) und ich habe jedenfalls auch keine Lust zuzusehen, wie die Welt den Bach runtergeht.
Nach der Arbeit am Samstag sind Freundin, Kinder und ich zur Demo am Brandenburger Tor gefahren. Da die U-Bahn erfahrungsgemäß hoffnungslos überfüllt sein wird, fuhren wir mit der S-Bahn bis Friedrichstraße und gingen dann zuerst mit Touris und Demonstrantinnen gemischt im Strom Richtung Brandenburger Tor. Ein Toilettenstopp im Kulturkaufhaus eröffnet mir eine neue Welt von Postkartenkaufmöglichkeiten. In einem Nivealaden waren im Vorbeigehen tatsächlich viele Kundinnen zu sehen, das Konzept erschließt sich mir nicht, bin wirklich nicht die Zielgruppe für so was.
Eine Touristin am Currywurststand guckt ungläubig auf die gehende Menschenmenge. Wir passieren einige kleinere Demos u.a. gegen den Ukrainekrieg, werden am Brandenburger Tor seitlich an der Bühne vorbei umgeleitet. Dort läuft noch das Familiendemoprogramm, es steigen riesige Seifenblasen auf und Musik. Der Sound ist mäßig, wir bleiben in der Nähe einer großen Gruppe Omas gegen rechts *Opas auch stehen. Dann dränge ich uns ein wenig von der Straße herunter Richtung Grünanlage und verdränge mit einiger Anstrengung und schlauen Gegenargumenten einen Panikanflug, bevor das plötzlich einsetzende Herzrasen und Ohrensausen Oberhand gewinnen kann. (Es wird kein Auto in die Menschenmenge fahren, es ist alles abgesperrt und bewacht.) Dann wird’s bunt, Musik und Redebeiträge, wir bewundern die vielen Plakate: A C F D D U sind blöd und doof. Lieber Hausaufgaben oder Krümelmonsterkeksen statt rechts, kein März im Februar. Für Frieden, Demokratie und Liebe. Wir singen, halten die leuchtenden Taschenlampen hoch und fordern lautstark den Bestand der Brandmauer. Uns ist heiß, in Erinnerung an die vergangen Demos haben wir uns warm gekleidet und eine Thermoskanne Tee mitgebracht. Mit offenen Wintermänteln, unterm Pulli schwitzend stehen wir zusammen mit vielen anderen bei plus 12 Grad in der Menge (Hallo Klimawandel!). Hauptsache nicht allein. Als Luisa Neubauer spricht, wird die riesige Menge ganz still. Umso mehr hören wir später das Echo der anderen Menschen, die im Tiergarten um die Ecke stehen. Der „Wehrt euch“ Gesang wird buchstäblich zum Kanon. Wie immer fühle ich mich sehr wehmütig und dankbar, dass ich demonstrieren gehen und meinen Kindern zeigen kann, hej wir sind nicht alleine mit unserer Haltung, wir dürfen mutig sein, müssen mutig sein. Beim Schreiben bemerke ich gerade lächelnd, es gibt nun eine -wie immer Demokultur- in meinen Gedanken.
Den Tee trage ich fast vollständig wieder nach Hause. Nur ein geteilter Becher tröstet zwischendurch unsere heiseren Kehlen. Mit platten Füßen reihen wir uns auf dem Rückweg in der Kassenschlange beim Kulturkaufhaus ein. Es ist brechend voll und ca. 50 Menschen stehen vor uns. Es wollen Postkarten bezahlt und Bücher abgeholt werden. Wartezeit nur 5-8 Minuten. Der Kassierer schaut mich entgeistert an, als ich ihm 40 bis dahin ungezählte Postkarten hinhalte. Bei mir auf Arbeit müssen solche einzeln nach Herstellern eingescannt werden und haben verschiedene Preise. Hier nicht. Also zählt er und ich zahle. Hinter uns stehen mittlerweile vermutlich 100 Kundinnen.

Demoplakat

Sonntag Abend schauen wir eine ausgezeichnete Sendung mit der Maus: zum Gedenken an den Holocaust Gedenktag wird die Geschichte des Malers Felix Nussbaum erzählt.
Es ist bunt und schön und aufbauend“ loosy says ist auch ein Stein in der Brandmauer.
Hier ist noch einer: „Es fühlte sich tatsächlich etwas wundersam an„. Buddenbohm & Söhne

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